Die Scheeßeler Mühle in den Jahren 1860 bis 1899

Im Jahr 1859 übernahm Wilhelm Cord Müller die Mühle von seinen Eltern 

Wilhelm Cord und Lucie Müller

Er konnte nach dem Kauf gleich in zweifacher Weise besser als seine Vorgänger über die Anlage verfügen.
Auf der einen Seite war die Wasserkraft nun auch für die landwirtschaftlichen Maschinen des Hofes, wie Butter-, Dresch- und Häckselmaschine nutzbar.
Auf der anderen Seite konnten endlich auch Verbesserungen an der Mühle durchführt werden. Zunächst wurde im Jahr 1866 eine Dampfmaschine in der Brennerei installiert, die eine Transmission zur Mühle erhielt, um einen weiteren Mahlgang anzutreiben. Dadurch war man nicht mehr allein vom Wasserangebot der Wümme abhängig. 
Im Jahr 1869 wurde das Mühlengebäude erweitert und ein zusätzlicher Mahlgang installiert. Nun war es möglich, neben der traditionellen Lohnmüllerei auch eine Handelsmühle zu betreiben, d.h. der Müller kaufte Korn und auch Mehl auf, verarbeitete es weiter, um es anschließend an Kunden zu verkaufen. Die Handelsmühle bewährte sich so gut, dass Wilhelm Cord die Mühle in den Jahren 1871 und 1875 weiter vergrößerte.

Die beiden Mühlen im Jahr 1869

Die neue Handelsmühle von der Straße aus gesehen im Jahr 1874/75

Wie sahen die Verbesserungen bei der Mehlherstellung aus? Leider existieren hierzu keine Unterlagen. In der Familienchronik wird erwähnt, dass 1872 eine Gries-Sichtmaschine angeschafft wurde. Dies deutet darauf hin, dass man sich bei der Weizenvermahlung dem sogenannten Hochmahlverfahren annäherte.

Hochmüllerei und Flachmüllerei

Die alte Müllerei war im wesentlichen darauf bedacht, das Korn möglichst schnell zu zerkleinern. Aus diesem Grund wurde der Spalt zwischen den Mühlsteinen, in dem das Korn zerkleinert wird, möglichst eng gehalten. Das Ergebnis war eine schnelle Pulverisierung des Korns. Wegen der eng zusammenstehenden Mühlsteine wird dieses Verfahren als Flachmüllerei bezeichnet. Nachteil eines solchen Verfahrens ist, dass viele Schalenanteile des Korns mit zerkleinert werden und auf diese Weise nur ein dunkles Mehl erzielt wird, da sich die Schalenanteile durch das Sichten nicht mehr vom Mehl trennen lassen. 
Ein helleres Mehl erhält man, wenn der Spalt zwischen den Schrotsteinen zunächst möglichst weit ist. Der obere Stein läuft also hoch über dem unteren Stein, weswegen sich die Bezeichnung "Hochmüllerei" eingebürgert hatte. Das Korn wird nicht gleich pulverisiert, sondern nur grob zerkleinert, wobei sich die Schalen des Korns vom Mehlkörper lösen. Die im wesentlichen aus dem Mehlkörper bestehenden grob zerkleinerten Körner werden als Gries bezeichnet. Mittels eines Gries-Sichters ist es anschließend möglich, die Schalen vom Gries zu trennen. Schließlich kann der so gereinigte Gries mit einem weiteren Mahlgang zu einem relativ hellen Mehl ausgemahlen werden.

 
Wenige Jahre später genügte auch diese Anlage den stetig steigenden Ansprüchen der Kunden nicht mehr. Im Jahr 1884 wurde die Mühle für die damals stattliche Summe von 75000 Mark vollkommen neu eingerichtet, an Stelle der zwei Wasserräder eine Francis-Turbine eingebaut und ein großer Siloanbau errichtet.



Die beiden Mühlen im Jahr 1884

Um 1884 werden auch die ersten Walzenstühle in die Mühle gekommen sein. Der Walzenstuhl hat in der Müllerei nach und nach die Mahl- und Schrotgänge ersetzt. Das Korn läuft dabei nicht mehr zwischen die Steine, wo es zerkleinert wird, sondern zwischen zwei Guss- oder Porzellanwalzen. Vor allem bei der Herstellung des Grieses ist der Walzenstuhl vorteilhafter als ein Schrotgang. So ist die Verweildauer des Korns im Spalt des Schrotgangs auf der Mahlbahn relativ lang. Dadurch wird die Schale auch bei Hochmüllerei teilweise zerrieben und kann dann nicht mehr gut von Gries und Mehl getrennt werden. Das Mehl wird somit stippig. Demgegenüber ist die Verweildauer des Korns zwischen den Walzen kurz, so dass die zähe Schale relativ unverletzt bleibt und später gut ausgesiebt werden kann.
Im Jahr 1891 legte Wilhelm Cord die Ölmüllerei still, da Öl inzwischen günstiger industriell hergestellt werden konnte und die Ölmühle aus diesem Grund kaum noch genutzt wurde. Die Mühle wurde zu einer Kornmühle mit zwei Mahlgängen umgebaut. Das Wasserrad musste nun auch hier einer Francis-Turbine weichen. Mit der überschüssigen Energie wurde eine Sägerei mit zwei Horizontalgattern angetrieben. Diese Sägerei war vor allem deswegen sehr lohnend, da sie die einzige in der Umgebung war und die umliegenden Zimmereien nun ihr Holz nicht mehr per Hand schneiden mussten. 

Die beiden Mühlen im Jahr 1898